Friedrich Hebbel (1813 bis 1863)



Das erste Zechgelage

Es sitzt zum erstenmal -
Gebt Acht, gebt Acht! -
Vor dem Pokal -
Ob ihr ihn taumlich macht:
Das ist für ihn so viel,
Wie für die Maid
Der erste Kuß, der ihr für's süße Spiel
Die Lippen weiht.

Er trinkt schon tapfer mit
Und wird schon rot.
Gleich übertritt
Der Knabe ein Gebot.
Paßt auf, er spitzt den Mund:
Gewiß, er tut
Uns seinen letzten Kirschendiebstahl kund
Und strahlt vor Mut.

Wir sind beim dritten Glas:
Noch immer still?
Was ist denn das,
Daß er nicht plaudern will?
Kann er schon mehr vertraun?
Hat er verzagt
Schon zum Versuche hinter'm Gartenzaun
Den Kuß gewagt?

Wir schenken wieder voll.
Nun winkt er mir:
Was ich wohl soll?
Nur zu: ich horche dir: -
Er schlich sich heimlich her,
Denn als er bat,
Verbot die Mutter ihm das Zechen schwer:
Da ist die Tat.


Das letzte Glas

Das letzte Glas! Wer mag es denken!
Und dennoch muß ein letztes sein!
Mich drängt's, es hastig einzuschenken,
Fällt auch die Träne mir hinein.
Stoß' an! Du stießest gar zu heftig!
In tausend Scherben liegt das Glas.
Ein neues bringt mit schon geschäftig
Der Kellner! nochmals füll' ich das.

Das letzte Glas! Wer mag es schauen!
Und dennoch muß ein letztes sein!
Di ziehst nun bald in ferne Gauen:
Denkst du im fremden Land noch mein?
Stoß' an. Ich zitt're gar zu heftig!
In tausend Scherben liegt das Glas.
Ein neues bringt mit schon geschäftig
Der Kellner; nochmals füll' ich das.

Das letzte Glas! Wer mag es trinken!
Und dennoch muß ein letztes sein!
Dir werden neue Freunde winken,
Ich aber bleib' hier ganz allein!
Stoß' an. Zu Boden werf ich's heftig!
Warum schon jetzt ein letztes Glas!
Ein neues bringt mit schon geschäftig
Der Kellner; nochmals füll' ich das.

Das letzte Glas! Wir lassen's stehen!
Versiegle und verschließ' den Wein!
Wenn wir dereinst uns wieder sehen,
So soll es unser erstes sein!
Komm, an den Mund press' ich dich heftig,
Als wärst du selbst mein letztes Glas!
Was wir uns sind, das fühl' ich kräftig,
Jetzt geh' mit Gott! Wir bleiben das!


Glück

Wie man das Heilige berührt:
Man will ihm selbst nicht geben,
Es ist genug, daß man es spürt,
So küßt' ich sie mit Beben,
Und tat der Mund
Nicht alles kund,
So brachte sie's zu Ende
In frommen Sinn
Zum Vollgewinn
Durch einen Druck der Hände!


Scheidelieder

Kein Lebwohl, kein banges Scheiden:
Viel lieber ein Geschiedensein:
Ertragen kann ich jedes Leiden,
Doch trinken kann ich's nicht wie Wein.

Wir saßen gestern noch beisammen
Von Trennung wüßt' ich selbst noch kaum;
Das Herz trieb seine alten Flammen,
Die Seele spann den alten Traum.

Dann rasch ein Kuß vom lieben Munde,
Nicht Schmerz getränkt, nicht Angst verkürzt:
Dann nenn' ich eine Abschiedsstunde,
Die leere Ewigkeiten würzt.