Hoffmann von Fallersleben (1787 bis 1862)
Als du blicktest in die Wiesenquelle,
Hätte sie gern entführt dein Angesicht;
Als du sahest in des Spiegels Helle,
Hat er neidlich getrübt sein reines Licht.
So blick in meines Herzens Spiegel,
Und löse meines Mundes Siegel,
Dann künd' ich, was Schönheit ist,
Und singe, daß d u es bist.
Dein Lieben scheint noch gar gering,
O rede nicht vom Schmerze!
Die Sehnsucht lernt vom Schmetterling
Und Liebe von der Kerze.
Genügt's dem Schmetterling, am Glanz
Die Flügel zu versehren,
So muß sich doch die Kerze ganz
An Liebesglut verzehren.
Du bist die Sonne, die nicht untergeht;
Du bist der Mond, der stehts am Himmel steht;
Du bist der Stern, der, wann die anern dunkeln,
Noch überstrahlt den Tag mit seinem Funkeln;
Du bist das sonnenlose Morgenrot;
Ein heitrer Tag, den keine Nacht bedroht;
Der Freud' und Hoffnung Widerschein auf Erden -
Das bist du mir, was kannst du mehr noch werden?
Du liebst mich nicht,
Und wie auch könntest du mich lieben?
Du bist das Licht,
Ich bin der Schatten stets geblieben.
Ein Schatten nur
Verfolg' ich liebend dich auf Erden;
Auf dieser Spur
Muß mir das Glück des Himmels werden.
Erlisch noch nicht
Mit deinem Wonnestrahlenkranze!
Du selig Licht,
Laß sterben mich in deinem Glanze!
Du sollst das Glück mir nicht zerstören,
Das unbewußt du selber bist;
Ich will von dir das Wort nicht hören,
Das nicht die Liebe selber ist.
Und irrt mein Herz, so laß es irren,
Es findet seine Heimat doch,
Und kann durch dieses Lebens Wirren
Froh singen, denn es liebet noch.
Für seinen Irrtum büßt es nimmer -
Denn hat es nicht gebüßt genug?
Das Mondlicht ist nur Sonnenschimmer,
Und doch erfreut uns dieser Trug.
Es schlief ein Keim unscheinbar klein
In meines Herzens Raum,
Und ward an deines Lichtes Schein
Ein großer breiter Baum.
In dieses Baumes Laubgezelt
Hat Freud' ihr Nest gemacht,
Und singt von einer neuen Welt
Ihr Lied bei Tag und Nacht.
Und wer das Lied verstehen will,
Ruh' unter diesem Baum,
Und träume mit mir sanft und still
Der Liebe holden Traum.
Fordre keinen Glanz und Schimmer,
Keine bunte Farbenpracht!
Wahre Liebe hat noch immer
Heil und Seligkeit gebracht.
Auch im grauen Witwenkleide -
Kennst du nicht die Nachtigall?
Und wer schmückt für sie die Heide,
Wald und Fluren überall?
Und sie flieht des Tages Schimmer
Und die lichte Blumenpracht,
Ihre Liebe singt sie nimmer
Schöner als in dunkler Nacht.
Frühling hat mir Hoffnung gebracht,
Winter jagt sie von hinnen.
Aber wenn d e i n Auge lacht,
Muß der Frühling beginnen,
Muß mir in den grünen Zweigen
Freud' und Hoffnung wieder zeigen,
Muß mir mit der Vögel Singen
Freud' und Hoffnung wieder bringen.
Auge, lächle mir oft,
Daß mein Herz noch hofft,
Daß mein Herz sich freut,
Alle Tage sich freut,
Heut' und morgen wie heut.
Im Glanze deines Angesichtes
Ward mein Sehnsucht Mond erhellt.
Am milden Strahle deines Lichtes
Erblühte meine inn're Welt.
Du bist zur Sonne mir geworden,
Die immer scheint und freundlich lacht,
Die wie die Sonn' im hohen Norden
Auch scheint in später Mitternacht.
Im Rosenbusch die Liebe schlief,
Der Frühling kam, der Frühling rief;
Die Liebe hört's, die Lieb' erwacht,
Schaut aus der Knosp' hervor und lacht,
Und denkt, zu zeitig möchte's halt sein,
Und schläft drum ruhig wieder ein.
Der Frühling aber läßt nicht nach,
Er küßt sie jeden Morgen wach,
Er kos't mit ihr früh bis spat,
Bis sie ihr Herz geöffnet hat,
Und seine heiße Sehnsucht stillt,
Und jeden Sonnenblick vergilt.
In Liebeslust, in Sehnsuchtsqual,
O höre mich!
Eins sing ich nur viel tausendmal
Und nur für dich.
Ich sing' es laut durch Wald und Feld,
O höre mich!
Ich sing' es durch die ganze Welt:
Ich liebe dich!
Und träumend noch in stiller Nacht
Muß singen ich;
Ich singe, wenn mein Aug' erwacht:
Ich liebe dich!
Und wenn mein Aug' im Tode bricht,
O sähst du mich!
Du sähst, daß noch dies Auge spricht:
Ich liebe dich!
Könnt' ich mit dem Zauberstabe
Heut' erwecken die Natur,
So erweckt' ich aus dem Grabe
Einen Frühlingstag dir nur.
Alle Blätter sollten Zungen
Meines Lobgesanges sein,
Sollten dir die Huldigungen
Meines treuen Herzens weih'n.
Und in jeder Blum' und Blüte
Sollte sich das schöne Bild
Deiner Liebe, deiner Güte
Dann entfalten rein und mild.
Aber ach! nicht aus dem Grabe
Kann ich wecken die Natur
Und ich bringe, was ich habe:
Dieses Lied vom Frühling nur.
Keine Sonne brachte den Tag,
Streute Farben auf Land und Meer,
Dunkle Nacht auf dem Erdkreis lag,
Öde war die Welt und leer.
Siehe, da leuchtet tief hinab,
Lächelt lieblich ein sonniger Strahl,
Und das Leben verläßt sein Grab,
Wandelt über Berg und Tal.
Liebe, du bist es, Himmelslicht!
Labender leuchtender Frühlingsschein!
Wenn mein Aug' im Tod einst bricht,
Wirst du auch drüben mein Herold sein.
Unter Regen, Kält' und Sturm
Wagt er sich ins dunkle Leben.
Laßt doch den Johanniswurm
Um die weiße Rose schweben!
Gönnt doch mir den kleinen Glanz,
Den die Liebe mir verliehen!
Laßt doch auch zum Reigentanz
Meine Frühlingsträume ziehen!
Laß dich immer nur verhöhnen,
Liebe kennet keinen Spott.
Trost in Tränen, Trost in Tönen
Sendet dir der liebe Gott.
Wenn die Blumen sich entfalten,
Äugelt Gottes Sonne drein -
Herz, so laß den Himmel walten,
Dir auch gibt er Sonnenschein.
Was ist die Welt, wenn sie mit dir
Durch Liebe nicht verbunden?
Was ist die Welt, wenn du in ihr
Nicht Liebe hast gefunden?
Verklage nicht in deinem Schmerz
Des Herzens schönste Triebe!
Nur liebend ist dein Herz ein Herz,
Was ist es ohne Liebe?
Wenn du die Liebe nicht gewannst,
Wie kannst du es ermessen,
Ob du ein Glück gewinnen kannst,
Ob du ein Glück besessen?
O glücklich wer ein Herz gefunden,
Das nur in Liebe denkt und sinnt,
Und mit der Liebe treu verbunden
Sein schönres Leben erst beginnt!
Wo liebend sich zwei Herzen einen,
Nur eins zu sein in Freud' und Leid,
Da muß des Himmels Sonne scheinen
Und heiter lächeln jede Zeit.
Die Liebe, nur die Lieb' ist Leben:
Kannst du dein Herz der Liebe weihn,
So hat dir Gott genug gegeben,
Heil dir! die ganze Welt ist dein!
Sie weiß es nicht, wie ich mich wiege
In Träumen von ihr,
Und auf der Sehnsucht Schwingen fliege
Wachend zu ihr,
Und wie ich immer flüstr' und kose
Und rede mit ihr,
Und stehen bleib vor jeder Rose,
Als stünd' ich vor ihr;
Wie all mein Sehnen, mein Verlangen
Strebt nach ihr,
Und alles mir ist aufgegangen
Einzig in Ihr.
Was Liebe gibt und Liebe weiht,
Und wär's auch ohne Worte,
Was schönes ist es allezeit
Und auch an jedem Orte.
Und wenn dir nicht erscheinen kann
In diesem Gruß das Schöne,
So nimm ihn doch als Liebe an,
Es sind des Herzens Töne.
Wann wird die Sonne, die ich meine,
An meinem Himmel leuchtend stehn?
Nach mir mit gnadenreichem Scheine,
Nach mir und keinem andern sehn?
Wann wird der Mond, von dem ich träume,
Mit seinem milden kühlen Licht
Durch meine bunten Blütenträume
Hell strahlen mir in's Angesicht?
Wann wird der Stern, der immer weilende,
Das Morgenrot, das immer eilende,
Ein Tag, der immer heiter lacht,
Aufgehn in meines Lebens Nacht?
Wann wird der Freud' und Hoffnung Widerschein,
O sag mir an, wann wirst du selber mein?
Was mir wohl übrig bliebe,
Wenn alles von mir flieht?
Es bleibt noch die Liebe
Und mit ihr manches Lied.
Und mit der Liebe teil' ich
Des Lebens Fröhlichkeit,
Und mit den Liedern heil' ich
Der Liebe Gram und Leid.
Wem Liebe ward zu Eigentume,
Dem ward zu eigen die ganze Blume.
Denn Schönheit ist nur Blumenduft,
Gehauchet in die freie Luft
Für alle, für diesen und jenen
Zum Hoffen und Wünschen und Sehnen.
O glücklich, wem zum Eigentume
Mehr ward als nur der Duft der Blume.
Wenn alles schläft in stiller Nacht,
Die Liebe wacht.
Sie wandelt leise von Haus zu Haus,
Und teilt die schönsten Gaben aus;
Sie bringet Trost für altes Leid,
Bringt neue Lust und Fröhlichkeit. -
Laß, Liebe, deine Gabe mich sein,
Flicht mich in deine Träume mit ein,
Daß d i e, nach der mein Herz verlanget
Und sehnsuchtsglühend banget,
Im Träume mich sieht
Und hört mein Lied.
Wer noch zweifelt einen Tag,
Ob ihm Liebe Liebe gibt;
Wer zu denken noch vermag,
Daß er liebet, wenn er liebt -
Hat ein Leben nie begonnen
Und vollendet nie ein Leben,
Und der Erde schönste Wonnen
Wird ihm auch kein Himmel geben.
Wie die Wolke nach der Sonne
Voll Verlangen irrt und bangt,
Und durchglüht von Himmelswonne
Sterbend ihr am Busen hangt;
Wie die Sonnenblume richtet
Nach der Sonn' ihr Angesicht
Und nicht eh'r auf sie verzichtet,
Bis ihr eig'nes Auge bricht;
Wie der Aar auf Wolkenpfade
Sehnend steigt in Himmelszelt
Und berauscht vom Sonnenbade
Blind zur Erde niederfällt:
So auch muß ich schmachten, bangen,
Späh'n und trachten, dich zu sehn,
Will an deinen Blicken hangen
Und an ihrem Glanz vergehn.
Wie mit glühendem Verlangen
Diese volle Rose blickt!
Aus den purpurroten Wangen
Liebesküss' und Grüße schickt!
Ja, sie möchte' es allen sagen:
Ach, wer liebt so heiß wie ich!
Möchte jede Blume fragen:
Liebes Blümchen, liebst du mich?
Und von allen Blumen jene
Bleiche Lilie zu ihr spricht:
Wüßtest du, wie ich mich sehne,
Blicktest du nach allen nicht!